Dienstag, 28. Mai 2013

Denn erstens kommt es meistens zweitens anders
 als man denkt !

Vorwort : Wie kommt man auf die Idee ein Buch über sich selbst zu schreiben,wenn man weder berühmt, steinalt und weise oder sonst irgendwie als wichtig einzustufen ist?

Man hat fuer eine einzelne Person massenhaft Sachen erlebt,die einem keiner glaubt?
Jeder,der Geschichten aus Deinem Alltag hört,schmeisst sich vor Lachen in die Ecke,trotzdem es fuer Dich bitterer Ernst war?
Du wirst immer wieder auf Festivitaeten eingeladen,weil der Gastgeber keine Lust hat,seine Gaeste selbst zu unterhalten?
Deine Freunde erzaehlen Dir,das sie beim Lesen Deiner e-mails das Gefuehl hatten,sie waeren dabei gewesen?
Du langweilst Dich zur Zeit gerade tödlich und bei 37 Grad im Schatten ist das Schreiben am Laptop das Einzige,was Dich nicht maßlos ueberanstrengt?
Dein bester Freund sagt zu Dir:<<Schreib doch bloss mal ein Buch über Dein Leben,damit Bertelsmann mal sieht,wie dick Buecher wirklich sein koennen?
Von allem ein bisschen,nehme ich an  - also gehen wir  es an oder wie Beckenbauer immer sagt: schaun wir mal…..
…..WAS DABEI HERAUSKOMMT

PROLOG
1960 - was fuer ein Jahr!
In Deutschland steigt das Bruttosozialprodukt um 61%,
die Einbaukueche wird populär,
ebenso der Jazz-Dance.
die Bundesaerztekammer wird ins Leben gerufen,
die Bundeswehr leistet erstmals Humanitaere Hilfe im Ausland.
Die Taxis in Deutschland fahren erstmals offiziell in <<beige<<.
Walter Ulbricht wird Vorsitzender des Staatsrates der DDR und
Robert F.Kennedy in den USA  als Praesidentschaftskandidat aufgestellt.
Die Efta wird gegründet,
ebenso die OPEC.
Die UEFA organisiert zum ersten Mal den Europacup der Pokalsieger,
der  HSV mit unserem Uwe Seeler ist Deutscher Meister.
Der deutsche Ringer Wilfried Dietrich wird Olympiasieger.
Bei den olympischen Spielen wird der Biathlon fuer Maenner eingeführt
und der Eisschnelllauf fuer Frauen.
Ernest Hemingway gibt sein letztes Buch <<Collected Poems<< heraus ,
der << Casanova<< erscheint erstmals als ungekuerzte Fassung
und James Kruess erhaelt den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Andy Warhol bringt seine Gemälde <<Batman<< und <<Superman<< in die Galerien und ist damit Mitbegruender der Pop-Art.
Dieter Hallervorden gründet das politische Kabarett <<Die Wuehlmaeuse<< inBerlin und Heinz Erhardt brilliert im deutschen Film <<Mein Mann das Wirtschaftswunder<< und gründet seine eigene Produktionsfirma.
Filmische Hylights aus Hollywood sind <<Missfits - Nicht gesellschaftsfähig<< mit der unbeschreiblichen Marylin Monroe und Glark Gable,
sowie <<Spartacus<< mit Kirk Douglas
und <<Alamo<< mit John Wayne.
Hitchcock laesst in <<Psycho<< Anthony Perkins wueten,
waehrend sich in
Federico Fellinis <<Das suesse Leben<< Anita Ekberg im Fontana de Trevi- Brunnen vergnügt.
Klaus Kinski und <<Blacky<<F uchsberger lehren uns in << Die toten Augen von London<< das Fuerchten
und Gustav Gruendgens brilliert im <<Faust<<.
Das Musical <<Westsidestory<< bricht am Broadway erste Kassenrekorde,
waehrend Rudi Carrell im Grand-Prix de la Chanson fuer die Niederlande antritt.
Aretha Franklin nimmt ihre erste Schallplatte auf
und Paul Anka singt über den << Lonely Boy<< in sich.
Und waehrend Chubby Checker mit <<The Twist<< die Twistwelle ins Rollen
bringt,
haben fuenf Pilzkoepfe ihre ersten Erfolge unter dem Namen <<The Beatles<<.
Das Chlorophyll wird erstmals synthetisch hergestellt
und der Laser  erfunden,
ebenso die Antibabypille.
Trotz Pillenknick erblickten zahlreiche einzigartige Wesen im Jahr 1960 das Licht der  Welt.
Baujahr 60 gilt als Kult,
 alle Welt kennt Darsteller wie Hugh Grant,Daryl Hannah
und Antonio Banderas konnte nicht nur Melanie Griffith nicht widerstehen.
Wir haetten keine Musik von Boy George
und keine Filme und Theaterstuecke von Christoph Schlingensief.
Wer kennt im Sport nicht Hansi Hinterseer oder Norbert Schramm
und wo waere der Fussball ohne Diego Maradona,
unsere geliebte <<Tante Kaethe<< Rudi Voeller
und unseren kleinen Berliner Pierre <<Litti<<Littbarski ,
der wie ich 1960 in Berlin-West das Licht der Welt erblickte.

MEINE GEBURT
1960 in China das Jahr der <<Ratte<<;
das Jahr zaehlte 153 Tage,als ich an einem Mittwoch,den 1.Juni,im Sternzeichen des Zwillings,zu nachtschlafender Zeit, brutal auf die Welt geschubst wurde - nämlich morgens gegen 5 Uhr.
Wie meine Mutter auf die Idee kam,mich zu so unchristlicher Uhrzeit in die Welt zu entlassen,ist mir heute,fast 50 Jahre spaeter,noch völlig unklar.
Fakt ist,das ich noch heute ungern früh aufstehe;da ich auch nicht mit den Huehnern schlafen gehe,warum muss ich mit ihnen aufstehen???
Da man ein Schaltjahr schrieb,behielt wohl auch meine Mutter Gisela mein schallendes Gebruell in lebhafter Erinnerung.



Wieso war ich überhaupt auf diese Welt gekommen?Trotz Antibabypille und Aufbruchstimmung in der beginnenden sexuellen Umorientierung der Gesellschaft war es doch eben in dieser Gesellschaft noch verpönt,unverheirateteter Weise Mutterfreuden entgegenzusehen. Da meine Mutter Gisela schwer  verliebt war,wogegen meine innig geliebten Grosseltern Heinz und Erna entschieden gegen den Mann ihrer Wahl waren,machte man aus der Not eine Tugend - ich wurde kurzerhand gezeugt,um die Heirat der beiden sozusagen zu erzwingen.
Meine Geburt habe ich also einer klassischen Fehlentscheidung meiner Mutter zu verdanken,wie sagt man so schoen: Liebe macht blind !

UNSERE ERSTE EHE - 1960 - 65
Ich muss ein ziemlich suesser Fratz gewesen sein,sodass mein Erzeuger eine Zeit damit beschäftigt schien,mit seinem Kinde ein bisschen anzugeben.Dieser Zustand hielt natürlich nur eine gewisse Zeitspanne an,was einzusehen ist,wenn man weiss,wie anstrengend ein Kleinkind sein kann.Das staendige im Mittelpunkt stehende Kind steht natürlich einem ausgesprochenem Egozentriker wie meinem Erzeuger bald im Weg,zumal durch dessen staendige Praesenz das eigene schillernde Ego so arg in den Hintergrund gedrängt wird.
1962 gesellte sich mein Bruder zu uns,schon mehr zum Zufallsprodukt degradiert,aber was soll es,die deutsche Familie hat nun mal zwei Kinder und wenn möglich auch noch geschlechtlich ausgewogen.Treffer, versenkt,kann man da nur sagen.Da kann man sich doch dann eigentlich sofort zur Ruhe setzen,das geforderte Soll war schließlich erfüllt.
Mein Vater war das damals klassische Einzelkind - verwoehnt,verhätschelt,von der Mutter bis zum Umfallen geliebt und bis zur Einschulung getragen,wurde er zu einem nichtmal halbwegs lebensfaehigen Individium,das sich im Schatten meiner Mutter nicht nur sonnte,sondern auch noch gehörig ausruhte.
Waehrend meine Mutter arbeitete,im Job,wie zu Hause und die Kinder bei seinen Eltern unterbrachte ,war mein Vater <<auf Tournee<<.
Seine 1,62m auf Hochglanz gebracht und in einem damals mega-angesagtem Opel-Kapitaen in Szene gesetzt,war er der Star - ob auf der Trabrennbahn,im Wettbuero oder einfach nur <<als der Traum eines jeden Wirtes<< in der Kneipe.Traumgast deshalb,weil er einfach jeden anwesenden Gast freihielt,solange er Geld in der Tasche,bzw.Kredit beim jeweiligen Wirt hatte.
Was sollte man denn  an Heim und Herd ? Keine Bewunderer seiner Genialitaet,seiner Wortgewandtheit,seines Esprits - nur die muede,jammernde Ehefrau und zwei Kinder,die einem auch die letzte Aufmerksamkeit der Ehefrau stehlen.Das war nicht sein Ding.
Meine Mutter hatte gelernt,als Frau hast du gut auszusehen,den Mund zu halten und das Essen pünktlich auf den Tisch zu bringen.Sonst knallt es.Und so knallte es eben.
Erst selten,dann immer öfter - aber man ist ja lernfaehig,irgendwann begreift der Dümmste : <<Lieber ein Ende mit Schrecken,wie ein Schrecken ohne Ende<<
Und so schnuert man eben sein Buendel,klemmt sich seine Brut unter den Arm und steigt aus dem Fenster,da die Tuer, vorausschauender Weise,verschlossen war.
Und dann steht man mit reuevoller Miene bei den Eltern vor der Haustuer,die einem den Zutritt natürlich nicht verwehren.Natuerlich nicht ohne die Bemerkung: Das haben wir ja von Anfang an prophezeit,das das nicht gut gehen kann.Aber man hat ein Dach überm Kopf und die Kinder sind versorgt.
Mein Vater machte ein paar Wochen Theater,man liess sich scheiden.Damals war ich 6 Jahre alt.Bis zu meinem 14.Lebensjahr lieferte er regelmaessig zu den Feiertagen eine Galavorstellung und machte im völlig desolatem Zustand auf Reue und gelobte Besserung.Er liebe doch nur sie - das behauptet er bis heute.Inzwischen hatte er die zweite Ehe mit der Freundin meiner Mutter auch hinter sich.Die Dummen sterben zwar nicht aus,aber jeder ist lernfaehig.Veronika,die Nr.2,meinte schlauer als Mutter zu sein - so ein toller Mann,da übertreibt die Gisel bestimmt,man muss es nur schlauer anfangen.Zwei Jahre spaeter war sie dann schlauer und ebenfalls geschieden.

KINDERZEIT   = GROSSELTERNZEIT- 1960 - 1970
So richtig tolle Erinnerungen beinhalten fast alle meine Grosseltern mütterlicherseits.
Oma Erna - man sah ihr an,dass sie nicht nur leidenschaftlich kochen, sondern auch essen konnte.Lange schwarze Haare,die sie immer zum Dutt einrollte,die obligatorische Schuerze um; tiefbraune Augen,die immer blitzten,wenn auch manchmal vor Wut - dann konnte man nur noch in den naechsten Graben hechten.Ansonsten war sie aber eine Seele von Mensch und allzeit bereit,unsere Schandtaten wieder gerade zu buegeln.
Opa Heinz - ebenfalls ein guter Verwerter von Omas Kochkunst,ein maechtiger Schaedel über einem noch maechtigerem Bauch.Superkorrekt,aber auch die Gutmuetigkeit in Person,zumal er zeitlebens gegen Oma nie die geringste Chance hatte,der Gute.
Er hatte eine Frau mit zwei Kindern geheiratet,da der leibliche Vater meiner Mutter und ihres Bruders im Krieg blieb.
Opa war Maschinenschlosser,hatte im Keller eine Werkstatt und konnte aus Schmiedeeisen die tollsten Sachen machen,vom Balkongitter bis zum Vogelkaefigstaender.Wenn man in der Richtung was wollte,hat man Opa eine Zeichnung gemacht und dann war er manchmal wochenlang am werkeln,bis das Teil <<sensationell< vollendet war,meist besser,wie auf der Zeichung.
Die beiden,Erna und Heinz,waren so verschieden wie Feuer und Wasser und haben sich ihr ganzes Leben nur gezofft.Erst wegen der Kinder,dann wegen der Enkel und zum Schluss wegen der Urenkel.Opa hat die Kaempfe zeitlebens zwar verloren,aber selbst nach ihrem Tod hat er immer nachgegeben und gesagt: Erna haette nicht aufgehört zu reden,bis ich klein beigebe und ich habe mich daran gewoehnt,das Gegenteil von dem zu tun,was ich selbst fuer richtig halte.
Opa war so DER typische deutsche Mann fuer mich.Familienoberhaupt; er hatte die Hosen an und sagte,was gemacht wird und Oma hat dann gemacht,was sie fuer richtig hielt.
Opa war: um 12 gibt’s Essen,egal ob einer Hunger hat; der Teller wird leergegessen,alles,was übrig bleibt,ist das Muster.Man bleibt bei einer Frau,komme,was da wolle; man lernt einen Beruf bei einer Firma und bleibt da bis zur Rente.Wenn man sagt,ich komme um 15 Uhr,dann ist man um 14.45 Uhr da und um 20 Uhr kommt die Tagesschau,egal,ob Krieg ist oder das Haus brennt.
In der Werkstatt traegt man Kittel,sobald man das Haus verlaesst,z.B.der Wochenendspaziergang durchs Dorf wurde mit Schlips und Kragen absolviert.Wobei es völlig unerheblich war,ob die Sonne vom Himmel knallte oder es bitterkalt war.
Nachdem Anfang der 70iger Jahre dann ein Fertighaus gebaut wurde,kam der obligatorische Mercedes ins Haus,etwas anderes kam natürlich nicht in Frage.Und wie sah fuer mich der klassische Mercedes-Fahrer aus? Wie Opa Heinz,selbstredend;Hut auf dem Schaedel und munter auf der linken Spur rumbummeln.Vom Dorf führte eine Serpentinenstrasse runter in die Kreisstadt.Fuer Normalsterbliche eine Fahrt von vielleicht 12-15 Minuten - Opa brauchte 30 Minuten,da hat man Zeit fuer Aussicht etc.Es gab noch einen zweiten Weg hinunter,etwas weniger spektakulär.Die Serpentinen führten nämlich an einem Schloss vorbei,dessen dicke Schlossmauern mit wilden Rosen zugewachsen waren.Selbstredend,das wir Kinder entscheiden durften,welcher Weg genommen wurde und so hieß es einstimmig über Jahrzehnte <<übers Dornroeschenschloss<<.Der Hoehenunterschied war enorm,sodass man ständig einen Mordsdruck auf den Ohren hatte und meinem Bruder war auf 99% der Fahrten mordsuebel,aber von 999 Fahrten wurden 998 auf dieser Route absolviert.Als 5jaehrige habe ich mal zu Opa gesagt: <<Opa,ist nicht schlimm,wenn Du mal stirbst,Oma hat ja auch einen Fuehrerschein!<<
Mein Opa hat mich manchmal zur Weissglut gebracht,mit seiner Ueberkorrektheit.
Aber er hatte eine Affengeduld mit uns Goeren,er konnte stundenlang vorlesen und ist manchmal selbst darüber eingeschlafen.Meine Lieblingsgeschichte war <<Die rote Henne und das Ei<<,keine Ahnung mehr,um was es da ging.Es ging einzig  und allein darum,das es die laengste Geschichte im ganzen Buch war und wenn man Glueck hatte,ist er dabei eingeschlafen und man konnte in Ruhe wieder aufstehen und bei Oma in der Kueche noch ein Stueck Streusselkuchen stiebitzen.
Oma war DIE deutsche Frau fuer mich.Staendig am backen,braten,brutzeln und putzen.Dabei immer gut gelaunt und immer zur Stelle,wenn man sie brauchte.Aber auch immer parat,wenn man sie gerade nicht gebrauchen konnte,sprich,gerade den noch warmen Kuchen aus der Kueche geklaut hatte.
Ihr Garten war ihr ein und alles,einschließlich dem Unkraut.Ihr Spruch war:Wenn das hier waechst,muss das auch einen Grund haben.
Meine Grosseltern kamen aus Schlesien,mussten dann fluechten und kamen so nach Berlin.Wir wohnten im tiefsten Wedding,was man bei mir heute noch hört,die <<Berliner Schnauze<< in Vollendung.Als 1961 in Berlin die Mauer gebaut wurde,<<machten sie rüber<< in den Westen,weil sie Angst vor dem Russen hatten und zogen erstmal zu Omas Bruder Arthur aufs Dorf.Heisterschoss,70 km von Koeln,oben auf dem Berg,von Nebel umwallt - ein kleines Kukaff mit damals ca.800 Einwohnern - dort trieb ich als Kind mein Unwesen.
Onkel Arthur war ein riesiger Kerl,immer schlecht drauf….man koennte behaupten,ein Muffelkopf im wahrsten Sinne des Wortes.Die Einzige,die ihn regelmaessig zur Weissglut trieb,war dann wohl ich.Er baute in seiner eigenen Werkstatt Elektromotoren fuer landwirtschaftliche Geraete und meine Oma arbeitete bei ihm.Die gut 10 Meter zwischen Haus und Werkstatt legte er taeglich etliche Male  zurück,zwecks Mittagspause etc.Nun befand sich genau zwischen den beiden Gebaeuden ein Buddelkasten,fuer meinen Cousin Kunibert,den mein Bruder und ich auch nutzen durften.Da ich ein reinlich erzogenes Kind war,rief ich immer nach Oma,wenn ein gewisser Verschmutzungsgrad meinerseits erreicht war und sie warf mir vom Mansardenfenster einen feuchten Lappen runter,mit dem ich mich dann einer gruendlichen Reinigung unterzog.Nun gab es in unserer Familie bis dato keine groesseren Werferqualitaeten,was heisst,der Lappen fiel nicht immer dorthin,wo ich ihn gern gehabt haette.Was ich hatte,war massig Zeit.Ich wartete also geduldig und dreckig bis Onkel Arthur die Werkstatt verliess und schmeichelte ihn wimpernklimpernd an,mir doch den Lappen aufzuheben und zu bringen.Er weigerte sich natürlich standhaft,so was war unter seiner Wuerde.Aus Schmeicheln wurde Draengeln und daraus Fordern,die Nummer konnte ich locker 20 Minuten durchhalten,ihm fehlte einfach die Geduld dazu und so bekam ich j e d e smal meinen Willen.
Im Dorf war alles erzkatholisch,zwei Drittel des Dorfes hiessen Schmitz,was glaube ich alles aussagt; an Dorfdeppen hat es jedenfalls nie gefehlt.
Man rannte Sonntags in die Kirche und hinterher wurde flott weitergesuendigt,man feierte dauernd eine Kommunion,Heirat oder Beerdigung,man ging ins Saengerheim,die einzige Kneipe in Ort und soff und hurte heimlich rum und Sonntags ging man beichten und alles ging zurück auf Anfang.Ansonnsten gab es im Dorf eine Post,einen Wasserturm und <<Knips<<,das war ein Laden,Wo man von der Briefmarke bis zum Klopapier fast alles bekam,was man brauchte.Wenn nicht,fuhr man in die Kreistadt.500 Meter weiter lag der Nachbarort Happerschoss.Er hatte einen Sportplatz,eine Schule,eine Sparkasse und die Kirche,incl.Friedhof.
Heisterschoss liegt oben auf dem Berg,mitten im so genannten Koelner Becken,was soviel heisst,das sich sämtliche Niederschlaege Deutschlands dort vereinigen - jedenfalls dachten wir das als Kinder.Also nicht nur Regen,Hagel undNebel,sondern auch Schnee.Und so einen Schnee kannte der Berliner nicht - dick und weiss und als Baustoff ideal,um halb Groenland plastisch nachzustellen. Anfang der 80iger Jahre war ich mal im Weihnachtsurlaub bei den Grosseltern,da waren wir total eingeschneit.Ich musste im Dienst anrufen und um ein paar Urlaubstage betteln,weil kein Bus und kein Taxi fuhr und so keine Chance bestand zum Bahnhof in die Kreisstadt zu kommen.Was einiges Befremden in Berlin hervorrief,denn da lag,wie meist,nicht eine Flocke.
Zu meiner Zeit waren Maedchen noch im Kleidchen unterwegs,waren brav und sittsam,gehorsam und lieb.Ich war nichts dergleichen.
Mein lieber kleiner Bruder,den ich am liebsten taeglich zur Adoption frei gegeben haette,war das Maedchen bei uns.Er spielte mit meinen Puppen,die ich mit Nichtachtung strafte; er nässte bis zur Schulzeit ein,war eigentlich ständig gerade am Heulen und 364 Tage im Jahr meist megapeinlich.
Ich war ein Wildfang und hatte mit vier Jahren bereits die ganze Dorfjugend unter meiner Fuchtel - natürlich nur die Jungs,versteht sich.Mit den Maedels hatte ich es nicht so,dass zieht sich bis heute als roter Faden durch mein Leben.Jungs konnte man viel besser rumkommandieren und die sprangen auch alle prima,so wie ich nur pfiff.Im Dorf gab es eine Tradition,die Jungs setzten einen Maibaum fuer ihre Angebete und schon im zarten Alter von fuenf Jahren hatte ich den hoechsten Maibaum im Dorf,gesetzt von einem 11jaehrigen!
Alfred,mein bester Freund aus Kindertagen war der Sohn der Nachbarin,Tante Kathrinchen und das Nonplusultra als Freund in allen Lebenslagen.Gleichen Jahrgangs
wollte er mich freiwillig über einen riesigen Wassergraben tragen,es hat echt gedauert ihm klarzumachen,das wir so nur beide nass werden und es einfacher ist,getrennt einfach drueberzuspringen.Natuerlich wollten wir spaeter mal heiraten,klare Sache.
War natürlich von vorne herein klar,das das Utopie war.Zwischen der Grossstadtpflanze und dem Dorfjungen lagen Entfernungen,die die von Mars und Jupiter bei weitem hinter sich ließen.Er erfuellte sich seinen Jungentraum und wurde Lokfuehrer und heiratete die Einzige im Dorf,bei der er meine Zustimmung erhalten haette,wenn er mich gefragt haette.Alfred hatte schon als Dreissigjaehriger schneeweiße Haare,ein Erbteil seiner Mutter und vielleicht,wer weiss,resultiert meine Vorliebe fuer graue Schlaefen schon daher.
Fuer uns Kinder war das Kaff ideal.Wir spielten auf der einzigen Strasse durchs Dorf,weil die drei Autos,die taeglich durchfuhren,waren ueberschaubar
Die Dorfgang war von früh bis spaet in Action.Treffpunkt war immer der <<Milchbock<<,eine erhoehte Ablageflaeche aus Holz,wo die Milchkannen der Bauern an der Strasse zur Abholung bereit standen.
Es gab dichte Waelder,in denen wir von morgens bis Abends zu Gange waren.Wir kletterten im Steinbruch rum und fingen Eidechsen oder liefen quer durch den Wald bis zur Talsperre,um flache Kiesel übers Wasser springen zu lassen.Wir hatten kaum Spielzeug,aber nie Langeweile.Es wurden Baumhaeuser gebaut,auf dem <<Drehplatz<<,so genannt,weil er mittig drei Feldwege vereinte,wurde Rad gefahren.Ich fuhr mit Opas altem Herrenrad,natürlich nur im Stehen,wegen der Hoehe.
Wir bauten Staudaemme am Bach,bis das Projekt von Bauer Willi gestoppt wurde,weil ihm seine Kartoffeln auf dem Feld ersoffen,dank unserer Umleitung des natuerlichen Wasserweges.Wir spielten Cowboy und Indianer und abends gab es Schelte zu Hause,weil wir vergessen hatten,das der Feind der Apachen,in Gestalt meines Bruders,noch immer im Wald gefesselt am Marterpfahl saß.Wir duellierten uns mit der Happerschosser Jugend und am besten waren wir im <<Maedchenaergern<<,ich vorneweg,versteht sich.
Der direkte Nachbar war Bauer Willi,also brachten wir die Kuehe zur Weide und zurück und spielten dabei Kuhfladenspringen.Wobei natürlich mein Bruder den Vogel abschoss,indem er stolperte und mit der Nase direkt in den frischen,noch dampfenden Fladen fiel.Und so war es immer,ging irgendwas schief,konnte man wetten,mein Bruderherz war zumindest beteiligt.Wir halfen beim Schlachten,wobei ich immer fluechtete,wenn die Kaelber getötet wurden;diese Bruellerei ging mir dann doch an die Nieren.Man konnte sich ein paar Pfennige verdienen,wenn man beim Kartoffelkaefer sammeln half und man konnte prima auf dem alten Ackergaul Sam reiten,auf seinem Ruecken hatten locker fuenf von uns Platz.Wir hatten eigentlich immer Bauchschmerzen,denn fast immer gab es irgendwo Himbeeren ,Brombeeren und Blaubeeren zu sammeln,wobei wir meist hinterher aussahen wie Kriegsopfer,denn Dornen wurden einfach ignoriert,man war ja kein Weichei.
Die Nachbarn gaben viel und gerne von ihren Obstbaeumen ab und wer geizig war,der wurde halt unfreiwillig zum Spender fuer unsere Baeuche.
Eine Geschichte wurde zu Lebzeiten meiner Grosseltern jedes Jahr aufs Neue zum Besten gegeben.Ich war vier oder fuenf Jahre alt und Oma erwischte mich dabei,wie ich mich gegen Abend aus dem Haus stehlen wollte,bewaffnet mit einem Henkelkorb.Auf die Frage,wohin ich denn jetzt noch mit dem Korb wolle und was er enthielte,verweigerte ich erstmal die Auskunft.Da Oma es gewohnt war,sich durchzusetzen,wurde der Korb natürlich inspiziert,wobei ein Schlafanzug, ein sauberes Taschentuch und ein eingewickeltes Butterbrot zum Vorschein kamen.Nachdem sie nachdrücklich weiterforschte gestand ich irgendwann unter stetig fliessendem Traenenfluss,dass wir beschlossen hatten,die Nacht in der <<Booch<< zu verbringen; ein kleines Waeldchen am Rande des Dorfes,wo wir uns ein Baumhaus gebaut hatten.Selbstredend,das ich in mein heimisches Bett gesteckt wurde,sehr zu meiner Enttaeuschung.
Abends lag ich mit Wonne bei meinem Cousin Kuni im Bett und liess mir stundenlang vorlesen,das die Geschichten alle aus der kirchlichen Ecke kamen,tat meiner Begeisterung dabei keinen Abbruch.Dem Bruder meiner Mutter,Fiete,war das ein Dorn im Auge.Kuni war elf und ich vier und er unterstellte uns da ganz andere Abenteuer wie biblische Geschichten.Dabei ist Kuni selbst heute im besten Mannesalter noch nicht ganz klar,wie seine beiden Kinder zustande gekommen sind.Also schlich ich mich abends zu ihm,wenn mein Onkel das Haus in Richtung Saengerheim verliess,um ein Bierchen zu zischen und Oma liess mich gewaehren.Eines Abends erblickte ich von Kunis Fenster,das Fiete zurückkam,weil er sein Feuerzeug vergessen hatte.Also raus aus dem Bett und mit 180 Sachen quer durch die Wohnung zu meinem Bett.Oma meinte spaeter,es waere nur eine Staubwolke von mir zu sehen gewesen.Aber sonst fehlte es mir nicht an Gelegenheiten meinen Kopf durchzusetzen.Zum Beispiel wollte ich meinen Grossvater dringend etwas fragen,der sprach aber am Tisch mit einem Kollegen.Nachdem auch der dritte Versuch,mir Gehoer zu verschaffen,fehlschlug,haute ich mit meiner kleinen,geballten Faust dermaßen auf dem Tisch,das die Kaffeetassen klirrten und schlagartig war ich die Hauptperson,wie gefordert.
Opa und Oma waren echte Muster von Spaziergaengern.Staendig wurde mit uns Kindern losgetrabt und sämtliche Trampelpfade auskundschaftet.Steinbruch,zur Talsperre,zum Bienenhaeuschen,zum Hexenhaus,wir gingen in die Beeren und wenn es geregnet hatte in die Pilze.Gesammelt wurde alles,Blumen,Tannenzapfen,Steine,alles, was irgendwie tragbar war.Dabei wollte ich eines Tages meine Werferqualitaeten unter Beweis stellen.Ich hob einen Stein in Groesse meiner Faust auf und rief meinem Grossvater zu,der  ein paar Meter weiter stand,zu:<<Guck mal,Opa,wie weit ich werfen kann!<<.Da die Strasse an dieser Stelle mindestens 10% Gefaelle hatte und er unter mir stand,haette ich  besser gerufen:<<Guck mal,wie  t i e f  ich werfen kann<<,denn ich knallte ihm das Teil mit aller Kraft an den Schaedel;die Narbe hatte er den Rest seines Lebens an der Stirn.
So verbrachte ich die Zeit bis zur Einschulung fast ausschließlich bei den Grosseltern,zu Schulzeiten zumindest jeden Ferientag des Jahres.Am Anfang wurden jedes Mal die 700 km bis Berlin gefahren,die Enkel abholen,als wir groesser wurden,wurden wir in Tegel ins Flugzeug gesetzt und in Koeln wieder eingesammelt.
Als noch Enkelabholen auf dem Programm stand,gab es eine Nummer von Opa,die zog er jedes Mal ab.Auf dem Weg von Berlin nach Koeln gab es den Ort<<Burg<<,das liegt bei Magdeburg.Jedesmal,wenn wir also den <<Burg<< fuhren,hoerten wir folgende Geschichte:<<In Burg bei Magdeburg,da wohnt der Schneider Krause.Im Winter trinkt er ein Glas Bier,im Sommer zwei Glas Brause.Dann geht er in den Wald und schreit AU.Warum??? Wir rätselten und grübelten und Opa fing von vorne an:Dann hört mal ganz genau zu……in Burg bei……;die Nummer hielt der locker durch bis Koeln und das über Jahrzehnte.Denn natürlich gab es keine Loesung,es war einfach nur ein Lueckenfueller fuer 700 km Fahrt.Aber es hat ihn überdauert.Wenn ich mit meinem Mann und spaeter auch mit unseren Kindern von Berlin nach Koeln fuhr und es kam Burg,dann kam ganz automatisch der Satz:<<Kinder,hört mal gut zu….<< .Und wie mein Bruder und ich damals,kam von meinen dreien:<<Oh bitte ,nicht schon wieder!<<<
Im Gegensatz zu meinen Eltern waren Oma und Opa aber keine Sesselpuper.Wir kennen jeden Zoo in Deutschland,jeden Vogelpark,Botanischen Garten,Maerchenpark, Vergnuegungspark und was es sonst so gab zu dieser Zeit.Ausfluege zum Koelner Dom,zum Drachenfels etc. in der Umgebung,es wurde nichts ausgelassen.
Selbst nach Mamaia,ans Schwarze Meer oder an die Nordsee sind sie mit uns gefahren,so bin ich auf den Geschmack gekommen,etwas sehen zu wollen,von der Welt.
Auch im Erwachsenenalter war mindestens ein Besuch in Heisterschoss im Jahr Pflicht,erst kam ich im eigenen Auto,dann mit der eigenen Familie.
Seit ihrem 50.Lebensjahr fing Oma an,Krankheiten zu sammeln,wie andere Leute Briefmarken.Die Hausapotheke nahm Dimensionen an,die jeden Apotheker vor Neid erblassen liessen und die Aerzte rieten ihr,fleißig ihren Loeffel zu putzen.Operationen häuften sich,zum Schluss beschlossen die Aerzte nichts mehr zu unternehmen,da man sonst am besten einen Reissverschluss in ihre Koerpermitte setzen sollte.Aber meine Oma war ein <<zaehes Aas<<,wie sich gerne selbst betitelte.Ich hab noch keinen Bock ins Gras zu beissen,hieß es immer.Und setzte sich Termine.Erna,du haeltst jetzt durch bis zur goldenen Hochzeit,bis zur Hochzeit von Vonni,bis zum ersten Urenkel,bis,bis,bis.Und sie hielt durch.Sie nahm taeglich bis zu 18 <<JelliBeans<<,wie sie ihr buntes Tablettensortiment gerne nannte und blaffte ihren Mann an<<das mach ich selbst<<,auch als sie es selbst gar nicht mehr konnte.Mit 50 ein Lebendgewicht von 130 kg,magerte sie ab auf 53kg,die Haare wurden weiss und kurz geschnitten,weil sie nicht mehr allein damit zurecht kam.Sie hatte keinen Gleichgewichtssinn mehr und fiel ständig um,aber erst mehrere schwerste Stuerze brauchte es,bis sie sich freiwillig in den Rollstuhl setzte.Ich weiss noch,meine zweite Tochter war 1 Jahr alt und spielte auf dem Boden.Oma kam ins Straucheln,sah das Kind und fiel,mit einem unglaublichen <<Flick-Flack<< olympiareif über das Kind rüber und knallte platt auf den Fussboden.Diese zirkusreife Drehung des Koerpers hatte ihr den Rest an Kraft genommen,sich irgendwie abzufangen.Die ganze Seite schwarz vor Bluterguessen,aber der Urenkel war heil.
Das schwerste Stueck Arbeit fuer sie war aber,die Arbeit abzugeben.Mein Grossvater wusste weder,das es im Kuehlschrank ein Licht gibt,noch wo das Wasser zum Eierkochen herkommt,eben so ein typisch deutscher Mann.Aber er lernte es,er warf den Salat in die Salatschleuder,wusch ihn und kippte ihn mitsamt dem Wasser in die Spuele,er wog Salz ab zum Eierkochen und lauter so nette Sachen,auf die man erstmal kommen muss.Aber am Ende hat er Braten gezaubert und Kuchen und Torten,die Omas in nichts nachstanden,obwohl sie das nie zugegeben haette.Immer hatte sie was zu maekeln,zu trocken,zu weich;du hast keine Ahnung.Und Opa hat alles ertragen,ohne mit der Wimper zu zucken,ohne ein boeses Wort.Er hat Oma getragen,gewaschen,sie angezogen,er hat das Haus geputzt und den Garten besorgt.Dabei konnte er die letzten paar Jahre so gut wie nichts sehen.Er hatte ein Lesegeraet,ein <<Monokel<< zum Fernsehen;er kannte jede Betriebsanleitung auswendig und und buk zum Schluss sogar das Brot selbst.
Als er noch sehen konnte,hat er Donnerstags immer den <<Stern<< gelesen,was bedeutete,er war zwei Stunden auf dem Gaesteklo und las und zwar alles,einschl.der Anzeigen.Im Stern gab es immer die satirische Seite <<Neues aus Kalau<<,die ich liebte.Und auf dieser Seite gab es einen abgeschlossenen Roman,der zumeist aus drei Saetzen bestand.Einen davon habe ich als zwoelfjaehrige gelesen und ich weiss ihn heute noch:
<<Entschlossen stapfte Gathmann auf die verschneite Zweigstelle zu.Er begab sich zur Drehtuer,es gab ein Krachen,Splittern und Bersten; er rieb sich verwundert die schmerzende Huefte und beschloss,nie wieder den Fluchtschlitten mit in die Bank zu nehmen.<<
Voellig beknackt,aber ich habe es bis heute im Kopf.Es ist schon bemerkenswert,was das Gehirn so alles abspeichert.
Als Opa nicht mehr richtig sehen konnte,wurde das Autofahren zum Survival-Erlebnis.Opa fuhr und Oma guckte und auf der Serpentinenstrasse war das schon ein Abenteuer,aber richtig lustig wurde die Nummer,wenn die uns vom Flughafen in Koeln abholten.Denn,wie sollte es anders sein,Opa fuhr selbstverständlich weiter auf der linken Spur,schließlich kann man mit einem Mercedes nicht auf der Kriechspur fahren.Bei einer Fahrt kann ich mich daran erinnern,dass ich hinten reflexartig den Arm einzog,um den Wagen nicht zu streifen,den er gerade ueberholte und ich bin nun bei Gott kein aengstlicher Typ.Ich konnte mir den Spruch nicht verkneifen:<<Das Futter fuer den Blindenhund unbedingt sparen wollen,aber auf der linken Spur rumtuckern<<. Gott,mein Grossvater hat eine Woche nicht mit mir gesprochen,so sauer war er und ich beschloss,in Zukunft mit der Bahn zu fahren,denn die fuhr bis Hennef und da fuhr ein Bus aufs Dorf.Das war mir denn ohne anstaendige Lebensversicherung doch zu heftig.Es dauerte noch Jahre,bis er das Autofahren aufgab.
Und Oma hat sie alle gemeistert,ihre <<Termine<<.Ihre goldene Hochzeit haben wir sogar in Berlin gefeiert,weil sie mir die Fahrerei mit zwei Kleinstkindern ersparen wollte.Da stand sie auf dem Bahnhof wie eine Eins,als wir sie abholten.Und sie war bei meiner Hochzeit 1997,sie hat drei Urenkel-Geburten erlebt,1995,1996 und 2000.Bei der letzten habe ich sie dann beiseite genommen und gesagt:<<Oehmchen,ich kann aber jetzt nicht jedes Jahr ein Kind kriegen,damit Du wieder einen Termin hast,den du einhalten willst.Und sie hat mich nur angelacht und gesagt: Lass gut sein,Kind - ich weiss jetzt,das alles gut ist,wie es ist - jetzt kann ich in Ruhe gehen.Und das ist sie dann auch,ein Jahr spaeter,schließlich wollte sie noch den ersten Geburtstag ihres letzten Urenkels feiern; es war dann auch mein letztes Kind.Wenigstens konnte ich ihr noch zu Lebzeiten sagen,wie sehr ich sie liebte und ihr danken,das sie mir mehr als einmal aus der Klemme geholfen hat,wenn es brannte und in meiner Sturm-u.Drangzeit brannte es oft.Zur Beerdigung bin ich allein gefahren und das war auch gut so.Ich hab nicht sehr nah am Wasser gebaut,aber als ich da so vor der Urne stand und darüber nachdachte,das dort die Reste meiner <<grossen und starken<<Grossmutter drin sein sollten,hab ich geheult,wie ein Wasserfall.
Opa war völlig gebrochen,wie sehr sie sich auch zu Lebzeiten gefetzt haben,sie muessen sich auch geliebt haben.Und ich sehe sie noch,wie sie Hand in Hand am Wochenende durchs Dorf marschierten und zwar solange,wie Oma noch laufen konnte.
Als ich um die achtundundzwanzig war,habe ich sie mal abends mit meinem Besuch überrascht,weil ich   in der Naehe beruflich zu tun hatte.Die Klingel haben sie nicht gehört,also bin ich ums Haus rum auf die Terrasse.Drinnen brannte Licht und der Fernseher lief.Oma saß im Fernsehsessel,Beine hoch und Opa kniete vor ihr und säuselte was von Puppchen und mein Augenstern.Das hat mich damals total gerührt,zumal ich wusste,wie rabiat sie manchmal mit ihm umging.Und das <<Puppchen<< war sie auch fuer ihn,als sie noch 130 kg auf die Waage schmetterte.Vielleicht ist auch das Liebe.
Als Oma starb,losten die Witwen im Dorf schon aus,wer sich den gutsituierten,allein stehenden Herrn unter den Nagel reissen konnte,schließlich kann so was doch nicht alleine leben,aber  Opa zeigte ihnen eine lange Nase und blieb allein.
Und so kam es,das Opa brav jeden einzelnen Tag zum Friedhof im Nachbarort marschierte,bei Wind und Wetter und mit seinem <<Puppchen<< sprach.Und auch da hoerte er sie noch,wenn es wieder darum ging,Kindern,Enkelkindern etc. unter die Arme zu greifen..Mutter regte sich darüber tierisch auf,was er da wolle.Und ich sagte,lass ihn doch gehen,da ist er an der frischen Luft,hat Bewegung und wenn er nach Hause kommt,kocht er sich was,weil er Hunger hat und alles ist schick.Leider war er nicht davon abzubringen,Omas Pillen in ihrem Namen weiterzunehmen,schließlich haben die eine Menge Geld gekostet,di ekann man doch nicht einfach wegwerfen.Auch Argumente,wie er waere weder herz-nochzuckerkrank konnten ihn davon abbringen.Und so er dann trotz der Pillen noch 4 Jahre geschafft und ohne,bis auf die fast voellige Erblindung,auch nur die geringste Krankheit gehabt zu haben,war es dann plötzlich vorbei.Wir haben uns zu Weihnachten noch gesehen,die letzte Tanne wurde aus dem Garten ins Haus verpflanzt,wie jedes Jahr und nach dem Fest wurde er ins Krankenhaus eingeliefert,kam im Februar ins Hospiz und starb da 2 Wochen spaeter.Es war,als haette er einfach keine Lust mehr,ohne seine Erna zu leben.
Ich habe die beiden wirklich sehr geliebt und dank ihnen hatte ich eine megastarke Kindheit.Spaeter haben sie die Jugend ............NICHT FERTIG…………………………………......................................................................................................................................................................





SINGLE - FAMILIE    1965 - 1967
So ging dann meine Mutter << auf Tournee<<,einen neuen Versorger besorgen.
26 Jahre jung,gut aussehend,schlank,bei jedem Tanztee dabei,da lernten wir so manchen <<Onkel<< kennen.Aber nie laenger,wie eine handelsuebliche Damenstrumpfhose haelt.
Ich kenne Strumpfhosen,die kosten ein Heidengeld und schon beim Anziehen hast Du eine Laufmasche.
Doch dann kam <<Onkel Kurt<<,das war eine echte Stuetzstrumpfhose.Sie ist zu eng,Du schwitzt in ihr wie ein Pferd,aber die Krampfadern sind in Sicherheit.

Unsere zweite Familie  - 1967ff.
Ich war 7 Jahre alt,als wir die <<Stuetze<< geheiratet haben.Meine Mutter im weissen Minibrautkleid mit Schleier,immer noch nett anzusehen,ich als Blumenkind,der Braeutigam,was soll man sagen.
Oberkorrekt bis zum sorgfältig gebuegelten Taschentuch,knapp der Mutterbrust entrissen,hatte er von heute auf morgen Ehefrau und zwei Kinder von 5 und 7 Jahren.
Muttersoehnchen,von Tuten und Blasen keinen Schimmer und er wollte doch alles richtig machen.
Als <<Onkel Kurt<< getarnt,noch der nette Gelegenheitsgast,der uns Spielzeug mitbrachte,kam dann in der Nummer des Stiefvaters unter dem weichen Kern die harte Schale zum Vorschein,der Geschmack eher fade.
Ja,mein liebes Muetterlein wollte ja den selben Fehler nicht noch einmal machen.
Jetzt hatte sie ein echtes Musterexemplar zu Hause.Der Chef bin ich,nach mir die Sinnflut.Zuerst komme ich,dann eine ganze Weile gar nichts.
Kasernenhofton im haeuslichen Heim und stramm gestanden.
Steif,oberkorrekt,mit strenger Hand - gelacht werden darf im Keller und nun wird erstmal Haltung angenommen.
Da hatte ich nun den juengsten Vater von all meinen Freundinnen,aber prinzipiell durfte ich erstmal nichts,wenn ich gefragt habe,warum,noch weniger.
Kinder haben zu funktionieren,man sieht sie nicht,man hört sie nicht.
Meine Mutter duckte sich brav und in dieser Stellung befindet sie sich heute noch.
Bestraft wurde mit allem,was zur Hand war - Fernsehentzug,Taschengeldentzug,Naschtischentzug,Kommunikationsentzug,was heisst,er sprach bei Bedarf einfach wochenlang nicht mit uns,sollten wir uns erdreistet haben,etwas << falsch<< zu machen.So hatte ich dann meine erste Entziehungskur von 1967 - 1978.
Wir waren eine Bilderbuchfamilie - Kurt avancierte vom <<popeligen<< Automechaniker,zum Schliesser im Tegeler Knast,ich weiss bis heute nicht,warum er diesen <<Traumjob<< aufgegeben hat,er war ihm auf den Leib geschneidert.Den lieben langen Tag Leute schikanieren,die sich nicht wehren koennen  einfach traumhaft.Und man konnte sich dabei so herrlich wichtig fuehlen,wer denkt denn da an Feierabend,da macht man zu Hause doch voller Tatendrang weiter.Eigentlich ein Wunder,das mein Bruder und ich nie in den Genuss von Dunkelhaft kamen.Ich will mich nicht beklagen,Einzelarrest ist ja auch schon was.Und wenn die Zelle inspiziert wurde und dem Oberaufseher etwas nicht gefiel - dann wurde der Inhalt der Spinde mitten auf den Boden gekippt und dann hatten wir eine echte Aufgabe.Mit 11 und 13 Jahren hatten mein Bruder und ich eigentlich nur einen Berufswunsch.Wir werden kriminell,die Strafe kennen wir,aber die,die drinnen sitzen kriegen Schnitzel und gucken in Farbe,waehrend die armen Kinder des Aufsehers nur schwarz-weiss-Filme sehen konnten und ständig Eintopf essen mussten .

8 Kommentare:

  1. Karl-Heinz Hafemann :der anfang Deines lebensromans gefällt mir gut und´s ist nicht langweilig. Manchmal baust Du zu viele Informationen in einen Satz. Bin schon auf die Fortsetzung gespannt ! Bisous

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  2. Das hast du geschrieben,so wie du bist. find ick jut warte darauf wie es weitergeht.

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  3. Mir gefällt's - ich warte auf Kapitel II ^^

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  4. Sehr lebendig beschrieben, man sieht die Personen direkt vor sich - gefällt mir sehr gut und ich freu mich auf die Fortsetzung.

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  5. sehr sehr gut geschrieben! lässt sich total genial lesen... flüssig und kurzweilig! also lass das haus dreckig und die flocken fliegen und schreib weiter! ;-)

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  6. Wow... sehr gut, Yvonne. Bitte mach weiter! Es ist wirklich nicht langweilig, deine Geschichte zu lesen. Und ich sollte es wissen, bin ja schließlich auch Baujahr 1960 :D
    Beim lesen fiel mir vieles aus meiner Kindheit und Jugend ein... meine Großeltern usw. :(

    Also Yvonne, lass uns nicht zu lange warten :)

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